Alles begann im Februar 2016...
Durch Zufall fühlte ich einen Knubbel in meiner rechten Brust. Ich kann gar nicht mehr sagen, wann und in welcher Situation genau, aber ich habe ihn quasi von heute auf morgen gemerkt, so, als wäre er vorher nie da gewesen. Ich habe relativ kleine Brüste, aber auch ziemlich fest, sodass ich erst dachte, es könnten vielleicht nur zyklusbedingte Verhärtungen sein. Da ich jedoch zu dieser Zeit ziemlich im Stress war (Uni, begonnenes Praxissemester, blabla), hab ich einen Arztbesuch erstmal vor mir hergeschoben. Aber als ich diesen Knubbel nach einigen Wochen immer noch merkte, sogar umso deutlicher, habe ich mich doch dazu entschlossen, mal bei meiner Gynäkologin vorbei zu gehen. Meine Frauenärztin sagte beim Abtasten zuerst: "Oh, den kann man ja richtig schön hin- und her schieben, wie einen Flubbi. Das ist immer ein gutes Zeichen." Ich dachte mir: "Chacka, ein gutes Zeichen, yes!" Daraufhin gab ich meinem freundlichen Knoten den Namen "Flubbi". Dann wurde ein Ultraschall gemacht, und auch hier die gute Nachricht: "Also, man kann sehen, dass der Knoten gut vom restlichen Gewebe abgrenzbar ist und ziemlich rund mit glatten Rändern. Das ist ein gutes Zeichen. Das ist ein Fibroadenom, also eine gutartige Veränderung." Und ich wieder: "Jaaaa, ein gutes Zeichen, geil!" Meine Gynäkologin erklärte mir daraufhin noch, dass man das also erstmal nicht wegoperieren sollte. Nur wenn der Knoten zu groß würde und bevor ich in meiner kleinen Brust später eine Delle hätte, sollte es irgendwann raus. Ansonsten alle 3 Monate Kontrolle. Nun ja, was soll ich euch sagen? Was denkt man in so einer Situation? Ich war einfach nur glücklich, eine gute Nachricht bekommen zu haben, mir keine Sorgen machen zu müssen (die ich wegen des Studiums eh schon zu genüge hatte) und naja, ich habe meiner Frauenärztin, die ja nunmal Fachwissen besitzt, einfach gutgläubig vertraut. Ich also weiterhin alle 3 Monaten zur Kontrolle. Ansonsten war mein Kopf mit Uni, Partys, Leben, Freunden, Familie, Stress genug beschäftigt. Ich hatte zu dieser Zeit schon oft das Gefühl, irgendwie ausgelaugt zu sein. Ich war müde und unmotiviert, und Dinge, die mir früher leicht gefallen waren und mir besonders Spaß gemacht hatten, wurden plötzlich anstrengend und haben mich nur noch wenig interessiert. Das war ein schleichender Prozess. Und ich schob ihn darauf, dass ich halt auch nicht jünger wurde... Mein Knoten in der Brust wurde größer. Bei jeder Kontrolle sagte meine Frauenärztin aber: "Sieht immer noch gut aus." - Ich: "Danke, tschüss, bis zum nächsten Mal!" Mein Knoten wurde immer größer. Er wurde so groß, dass man irgendwann an der Unterseite meiner Brust eine leichte Beule sehen konnte. Letztendlich konnte ich Flubbi quasi richtig zwischen zwei Finger nehmen. Ich schätzte ihn auf ca. 2 cm. In dieser Zeit habe ich plötzlich sehr viele schlimme Dinge wahrgenommen. Ältere und junge Menschen, die aufgrund beschissener Krankheiten viel zu früh von dieser Welt gehen mussten. Eine komische Vorahnung... Mittlerweile war es Dezember 2016. Und aus irgendeinem Grund fing ich an, micht besonders mit gesunder Ernährung zu beschäftigen. Und mit Krebs. Wenn ich erklären müsste, warum, dann kann ich eigentlich nur eines sagen: Ich denke, dass ich es wusste. Unterbewusst. Ich hatte es einfach im Gefühl. Es ist etwas gruselig, im Nachhinein darüber nachzudenken, aber vielleicht wollte mein Unterbewusstsein damit etwas sagen. Als ich also im Dezember wieder einen Kontrolltermin hatte, sagte ich meiner Frauenärztin, dass ich mich langsam einfach nicht mehr wohl fühle. Flubbi war ja mittlerweile auch ganz schön groß. Ich habe dann einen Termin in einem nahen Brustzentrum gemacht., wo ich am 20. Dezember 2016 meinen Termin hatte. Im Brustzentrum Mein Termin im Brustzentrum begann erstmal damit, dass ich fast 3 Stunden warten musste. Ich empfand die Situation als sehr beklemmend, da überall um mich herum eindeutig kranke Frauen saßen: Mit Mütze. Kopftuch oder schlechter Perücke. Viele von ihnen sprachen miteinander über ihre Krankheit, Brustkrebs. Allerdings wirkten sie trotz allem so stark und ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht zu weinen. Denn nah am Wasser gebaut - gerade bei solchen Themen - war ich schon immer. Mir taten diese Frauen leid, aber ich wäre in diesem Moment nie im Leben darauf gekommen, dass ich selbst bald in diesem Zustand dort sitzen würde. Als ich endlich zu der Ärztin rein durfte, erklärte ich kurz, warum ich da war. Sie tastete meine Brust ab, und sagte wie meine Gynäkologin, dass sich das nach etwas Gutartigem anfühlen würde. ich freute mich. Sie machte dann noch einen Ultraschall - auch das kannte ich bereits. Was sie jedoch - anders als meine Frauenärztin - dann tat, war, dass sie mit dem Ultraschallgerät in meine Achsel ging. Und dort entdeckte sie einen sehr großen Lymphknoten. Aus Reflex sagte ich lachend (unwissend und naiv): "Na, dann holen sie den auch raus. Weg damit." Und sie antwortete: "Nein nein, der geht von alleine wieder weg." Ich verstand es so, dass dieser Lymphknoten vielleicht entzündet sei oder so etwas. Woher sollte ich auch ahnen, was ein vergrößerter Lymphknoten bedeutete. Die Stanzbiopsie, die aber gar nicht sooo weh tat Ich war also noch total gut drauf, aber die Ärztin wollte zur Sicherheit noch eine Probe von dem Knoten in meiner Brust nehmen. Dazu war eine Stanzbiopsie erforderlich, in der ca. 5 Gewebeproben mit einer Hochgeschwindigkeits-Nadel aus meinem Knoten gestanzt wurden. Dafür wurde die Brust betäubt. Das EInstechen tat deswegen auch überhaupt nicht weh. Als die Nadel dann aber auf den Knoten traf, welcher ziemlich hart war, tat es doch ganz schön weh. Aber naja, zum Glück hatte ich nie Probleme mit Nadeln oder Blut. Nur als ich später aufstand, hat sich mein Kreislauf kurz verabschiedet. Wir machten trotzdem schonmal einen Termin für die OP, in der das "Fibroadenom"; mein Flubbi, entfernt werden sollte. Und so ging ich dann nach Hause. Meine Gedanken waren bei Weihnachtsgeschenken, meinem Studium, meinem Freund... Doch das solte sich leider bald ändern. Der Anruf Einen Tag später, am 21.12.2016, saß ich nichtsahnend in einem Seminar in der Uni, als plötzlich mein Handy klingelte. Ich also schnell raus. Auf meinem Handy stand eine Nummer aus der Stadt, in der das Brustzentrum liegt. "Halloo...?", fragte ich. Und dann kam es. "Liebe Frau XXX, wir haben Ihren Befund von der Stanzbiopsie und.... naja, sie sind nicht ganz eindeutig. Könnten Sie morgen bitte nochmal vorbei kommen? Das wäre wirklich wichtig." Ich antwortete: "Ja klar, mache ich, danke." Überfreundlich. Übereifrig. Ich wusste, was los war. Was zur Hölle sollte an dem Befund bitte "nicht ganz eindeutig" sein? Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es nichts Gutes bedeuten konnte. Ich ging zurück in mein Seminar, versuchte weiter zuzuhören, aber war mit meinen Gedanken ganz woanders. Zuhause angekommen, erwartete mich meine Mama - mit einem traurigen Blick. Ich konnte ihr nicht so wirklich in die Augen schauen. Das Brustzentrum hatte bereits Zuhause angerufen, um mich zu erreichen. "Alles in Ordnung?", fragte meine Mutter. Und ich erzählte ihr, was passiert war. Aber ich wollte nicht wirklich mit ihr reden, ich habe abgeblockt und wollte allein sein. Ich fuhr also in die Stadt und kaufte Weihnachtsgeschenke - wie ein ganz normaler Mensch mit ganz normalen Sorgen und einem ganz normalen Leben. Der Tag der Diagnose Wieder einen Tag später, am 22.12.2016, war ich morgens noch in der Uni zur Prüfungsvorbereitung. Denn ich wollte langsam mal meine Prüfungen absolvieren, meinen Master machen und vor allem Geld verdienen. Richtig konzentrieren konnte ich mich jedoch nicht, denn meine Gedanken kreisten sich um das gestrige Telefonat und den heutigen Termin. Trotzdem versuchte ich mich auf die Prüfung zu fokussieren, vor der ich so sehr Angst hatte, weil ich so viel Schlimmes darüber gehört hatte. Doch irgendwann war es mittags, und ich fuhr mit meiner Mama zum Brustzentrum. Dort angekommen hatte ich direkt ein komisches Gefühl. Ich öffnete die Tür und die Ärztin rief mich sofort zu ihr durch in ihr Zimmer. Sonst war keine Patientin da. Wir setzten uns. Und dann kamen die Worte: "Frau XXX, wir haben Ihre Befunde erhalten und wir haben leider kein Fibriadenom gefunden, sondern einen bösartigen Tumor." "Ja, das dachte ich mir schon", antwortete ich. Meine Mama legte ihre Hand auf mein Bein und sagte: "Wir schaffen das gemeinsam." Viele Menschen würden in diesem Moment vermutlich anfangen zu weinen, zusammenbrechen, herausrennen... Ich aber hatte es so sehr im Gefühl, dass es für mich kein Schock war. Ich habe während der gesamten Zeit im Brustzentrum keine einzige Träne vergossen. Meine Ärztin erklärte mir, was nun passieren würde. Sie warf mit Wörtern wie "Chemotherapie"; "Antihormontherapie", "Hormonrezeptoren" und "Bestrahlung" um sich. Ich schrieb mir alles auf, aber verstand es in dem Moment natürlich noch nicht. Sie sagte mir auch, dass ich durch die Therapie ein halbes Jahr "raus" wäre. Meine Prüfung hatte sich also erstmal erledigt, war mein erster Gedanke. Aber ich nahm alles so hin - was blieb mir schon anderes übrig? Direkt am nächsten Tag sollten ein CT von meinem Oberkörper und eine Knochenszintrigraphie von meinem Skelett gemacht werden, um nach möglichen Fernmetastasen zu suchen. Das machte mir Angst, aber ich konnte trotzdem noch lachen. Als ich jedoch das Krankenhaus verließ und meinen Freund anrief, um ihm die Wahrheit zu erzählen, brach alles aus mir heraus. "Ich habe Brustkrebs", waren die einzigen Worte, die ich herausbekam, bevor ich anfing zu weinen. Er sagte "ok"; hörte sich alles an und versuchte, stark für uns beide zu sein. Zuhause angekommen, rief ich meine beste Freundin an. Zu Beginn konnte sie nur "nein" sagen, und ich war diejenige, die sie beruhigen und trösten musste. Es tat mir unglaublich weh, meiner Familie und meinen Freunden so etwas antun zu müssen... An diesem Abend war ich mit meinen Eltern und meinem Freund zusammen. Wir bestellten Pizza und redeten über alles. Was jedoch faszinierend war, ist, dass ich mich trotz meiner Angst und der bedrückenden Situation mehr als je zuvor mit ihnen verbunden fühlte. Ich fühlte mich mehr als je zuvor beschützt, als mein Freund mich in den Arm nahm, und auch jeder Kuss war intensiver als je zuvor. In diesem Moment liebte ich meine Familie mehr als je zuvor. Ich werde diesen Tag niemals vergessen. Er war der Beginn eines neuen Lebens. Die ersten Unterschungen Am nächsten Tag begannen dann direkt die ersten Untersuchungen: Das Oberkörper-CT und Knochenszintipraghie, um meinen Körper nach Fernmetastasen zu durchsuchen. Mein Freund hatte sich extra frei genommen, um mich und meine Mama zu begleiten und mir beizustehen. Und darüber war ich sehr dankbar, besonders, weil das Ganze stundenlang dauerte. Ich musste über eine Stunde verteilt Kontrastmittel trinken, viel zu viele Nadelstiche ertragen (weil die netten Damen in der Radiologie irgendwie nie meine Venen trafen) und mehrere Minuten in den Geräten liegen. Zum Glück habe ich keine Platzangst. Ich versuchte mich zu entspannen und dann durfte ich auch mit meiner Mama und meinem Freund frühstücken, während wir auf die Befunde warteten. Und diese waren GOTT SEI DANK nicht auffällig! Ich hatte keine Fernmetastasen. Was das bedeutet? Das bedeutet, dass meine Therapie in jedem Fall auf eine Heilung der Krankheit abzielen sollte. Denn sobal Fernmetastasen (in Lunge, Leber, Knochen, Gehirn) vorliegen, gilt man als Palliativ-Patient. Es geht in diesem Stadiumd er Krankheit "nur" noch um Verlängerung der Lebenszeit sowie die Verbesserung der Lebensqualität. Weihnachten... Warten, warten, und nochmals warten... Am nächsten Tag war Heiligabend. Toll, sag ich euch, wenn man weiß, dass da ein bösartiger Tumor in einem steckt und man nichts tun kann, als warten. Außerdem soll man noch so tun, als wäre alles okay, die Feiertage genießen und sich an Silvester auf das neue Jahr freuen. Man soll lachen, ein Sektchen trinken, sich über Geschenke freuen und tanzen. Aber nein, all dies tat ich nicht. Ich war mit meinen Gedanken in meinen Ängsten. Ich hatte Angst, Alkohol zu trinken, weil das "nicht gut bei Krebs ist". Ich hatte Angst, Süßigkeiten zu naschen, weil die "nicht gut bei Krebs sind". Ich konnte nicht wirklich lachen, tanzen, und unbeschwert sein. Als ich meine Freundinnen über ihre "Probleme" reden hörte und Babys sah, zog ich mich noch mehr zurück. Ich hatte Angst, dass ich niemals ein eigenes Kind bekommen könnte. Ich konnte mich nicht auf das neue Jahr 2017 freuen, denn ich wusste ja, was vor mir lag: Eine lange, schwierige Reise, die mir und meinem Körper vieles abverlangen würde... Und so wartete ich, informierte mich, las Vieles zum Thema Brustkrebs und sprach mit meiner Familie und Freunden darüber. Und wartete.
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Herzlich Willkommen
Ich bin Janine, 25 Jahre alt und erzähle dir hier meine Brustkrebs-Geschichte: Die Geschichte über "Sauron" und mich. Archiv
März 2018
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