Die Zeit, in der man seinen Freunden und Familie von der Diagnose erzählt... ...ist eine der schwierigsten und war bei mir ebenfalls vor genau einem Jahr. Zwischen Weihnachten und Silvester traf ich einige meiner Freundinnen zum alljährlichen Wichteln. Ich ging mit dem Gedanken dorthin, ihnen auf jeden Fall von meiner Brustkrebs-Diagnose zu erzählen, die ich ja erst wenige Tage zuvor erhalten hatte. Was ich aber nicht wusste, war, wann und wie genau ich ihnen davon erzählen sollte. Denn alle waren so gut drauf, freuten sich über ihre Geschenke, erzählten von ihrem Leben und ließen mir irgendwie gar keine Zeit, um zu Wort zu kommen. Als sich dann aber die erste von uns verabschieden wollte, sah ich meinen Augenblick gekommen. Jetzt oder nie.
Und ich sagte: „Warte kurz, ich muss euch noch etwas sagen...“ Und ich erinnerte meine Mädels daran, dass ich ja wegen meines vermeintlichen Fibroadenoms im Brustzentrum war und eine Gewebeprobe entnommen wurde. Und ich sagte, dass dort leider bösartige Zellen gefunden wurden. „Ich habe Brustkrebs. Ich bekomme jetzt Chemotherapie und Bestrahlung. Aber ich habe zum Glück keine Fernmetastasen, und das ist sehr gut.“ Mehr wusste ich irgendwie gar nicht zu sagen. Ich denke, jeder Mensch, der an einer schlimmen Krankheit erkrankt, weiß nicht so recht, wie er Anderen davon erzählen soll. Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wo ist der richtige Ort? Wie ist die richtige Art und Weise? Meine Antwort durch meine Erfahrungen und Gesprächen mit anderen Betroffenen ist folgende: Dafür gibt es kein Geheimrezept. Jeder muss selbst wissen, wann er selbst dafür bereit ist und in welchem Moment er darüber spricht. Ich persönlich kann aber eines sagen: Mich hat es sehr belastet, die Diagnose vor einem Großteil meiner Familie und Bekannten eine längere Zeit geheim zu halten. Das hat mehrere Gründe: Zum einen hatte ich ständig Angst, dass ihnen auffallen könnte, dass ich eine Perücke trug und keine Wimpern mehr hatte. Zum anderen habe ich einfach immer gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. Ich musste mich verstellen. Lächeln. Davon erzählen, wie gut mein Studium lief. Meine Perücke zurechtzupfen. Aufpassen, dass ich den Kindern mit Schnupfen und Mittelohrentzündung nicht zu nah kam, weil mein Immunsystem so angeschlagen war. Ich konnte nicht ich selbst sein. Eine so schwerwiegende Krankheit zu verheimlichen, kann wirklich extrem belastend sein. Als dann irgendwann alles raus war und ich meine Krankheit auch in den sozialen Medien öffentlich machte, ging es mir SO viel besser! Und so konnte ich meine Diagnose letztendlich auch selbst viel besser akzeptieren und annehmen. Ich konnte die nervige, kratzende, rutschende Perücke ganz einfach gegen bequeme, hübsche, weiche Mützen austauschen. Ich fühlte mich befreit, ehrlich! ...aber zurück zu dem Moment, in dem ich meinen Freundinnen von der Diagnose erzählte: Ich hatte das Gefühl, meinen Freundinnen Mut machen zu müssen, ihnen zu sagen, dass alles gut werden würde und dass ich gute Chancen auf Heilung hätte. Ich versuchte, für die Anderen stark zu sein. Und zu lächeln, ja sogar Späße zu machen, um die Situation aufzulockern. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich: Von betroffenem Schweigen bis hin zu „aber das kann man ja heutzutage gut behandeln“. Aber es wurde aufgenommen, akzeptiert und als neuer Teil meines Lebens anerkannt. Alle wirkten sehr zuversichtlich, aber waren auch traurig. Manche hatten große Angst um mich. Und das ist nur menschlich. Allerdings habe ich von anderen Betroffenen gehört, dass es leider auch ganz andere Reaktionen auf eine Krebsdiagnose gibt: Manche kündigen die Freundschaft, manche Ehen zerbrechen, manche Menschen denken sogar, der Krebs sei ansteckend oder man habe ihn verdient. Manche wollen einen 24 Stunden am Tag unterstützen und nerven damit. Manche interessieren sich überhaupt nicht für einen und melden sich nicht mehr. Manche wollen sich nicht selbst damit belasten und ihre Kraft dafür opfern. Manche erzählen davon, wie ihre Tante und Oma und Frau xy an Brustkrebs verstorben seien. Manche reden dir gut zu, obwohl sie letztendlich sich selbst Mut machen möchten. Warum die Reaktionen von Menschen so unterschiedlich ausfallen, hat meiner Meinung nach mehrere Gründe und ich habe lange und oft darüber nachgedacht. Denn die Diagnose ist eigentlich schon schlimm genug. Wenn man dann aber sieht, wie sich die Menschen von einem abwenden und somit verletzen und allein lassen, dann kann das eine Menge Kraft, Mut und Zuversicht rauben. Eine junge Frau, die ich in der AHB (= Anschlussheilbehandlung) kennengelernt hatte, sagte immer: "Erst wenn man so eine schwerwiegende Krankheit oder einen Einschnitt in sein Leben bekommt, merkt man, wer die wahren Freunde sind." Und ja, das stimmt... Ich denke, dass viele Menschen einfach nicht wissen, wie sie mit der Diagnose „Krebs“ in der Verwandtschaft oder dem Freundeskreis umgehen sollen. Entweder, weil sie damit auf unterschiedlichste Art nicht klar kommen, oder weil sie einfach zu wenig Wissen über die Krankheit und Therapie haben. Viele Menschen verbinden das Wort „Krebs“ direkt mit dem Tod, einfach weil sie es nicht besser wissen. Woher auch? In Filmen, in Internetforen oder den Nachrichten werden meist nur die traurigen Geschichten erzählt, die schlecht ausgehen. Und leider werden einfach viel zu wenige „Mutmachgeschichten“ mit happy end veröffentlicht. Gerade deswegen hoffe ich, dass ich durch diese Seite wenigstens einen kleinen Beitrag leisten und ein bisschen Hilfe geben kann: Sowohl für Betroffene, als auch für Angehörige. Deshalb hier auch noch ein paar Mut-machende Seiten :) : www.prinzessin-uffm-bersch.de/lebensgeschichten/ brustkrebsdeutschland.de/archiv/category/aktuelles/mutmachgeschichten/ bfriends.brigitte.de/foren/brustkrebs/106528-der-mut-mach-thread-fuer-brustkrebsbetroffene.html www.pinkribbon-deutschland.de/fakten/mutmacher.html www.amazon.de/Diagnose-Brustkrebs-wahre-Mutmach-Liebesgeschichte/dp/3740730951 Habt einen schönen Abend und seid dankbar für die Menschen, die wirklich für euch da sind.
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Fuck Sauron! – Ja, so heißt diese Homepage.
Aber warum Sauron? Sauron, so habe ich meinen Tumor genannt. Meinen Ursprungstumor um genauer zu sein, und das bereits sehr früh, nämlich nur wenige Tage nach der Diagnose. Ich hatte das Bedürfnis, meinem Tumor einen Namen zu geben. Aber wieso? Das ist eigentlich ganz einfach, jedoch für viele auch absolut unverständlich. Die meisten Krebs-Patienten nämlich hassen den Krebs. Und sie hassen ihren Krebs. Sie hassen den Tumor, diesen kleinen Feind, der sich rücksichtslos im Körper breit macht. Sie möchten ihn um alles in der Welt loswerden, am besten so schnell wie möglich. Auf gut deutsch: Er soll sich einfach verpissen. Ich hingegen wollte einen „Ansprechpartner“ haben. Ich wollte, dass ich mit meinem Tumor „in Kontakt treten“ kann. Ja, das hört sich ziemlich komisch und vielleicht auch ein wenig schizophren an, aber für mich war es die richtige Entscheidung. Und es tut mir gut. Es macht mir sogar Mut und stärkt meinen Kampfgeist. Ich versuche, Sauron nicht nur mit Hass entgegenzutreten. Ja, diese Homepage heißt „Fuck Sauron“, denn natürlich bin ich unfassbar wütend auf den Krebs. Aber ich glaube, dass Hass einen letztendlich nur auffrisst und verbittert werden lässt. Deswegen versuche ich Folgendes: Ich „spreche“ mit meinem Tumor (kein Scheiß!). Ich sage Sauron, dass ich leben will! Ich sage ihm, dass ganz bestimmt auch er leben will, und das geht nur, wenn wir ein Team sind! Ich sage ihm, dass er möglicherweise vom richtigen Weg abgekommen ist und nicht mehr weiß, wie er sich richtig verhalten sollte. Ich sage ihm sogar, dass es mir leidtut, wenn ich ihn vielleicht durch falsche Ernährung, Stress und andere Einflüsse dazu gebracht habe, „böse“ zu werden. Ich bete ihn darum, mit mir zu kämpfen, anstatt gegen mich. Und auch jetzt, nachdem Sauron eigentlich durch die Chemotherapie komplett zerstört wurde, spreche ich mit ihm. Er ist einfach ein Teil von mir (geworden) und falls da noch Zellen von ihm in meinem Körper rumschwirren sollten, dann soll er sich bitte zusammenreißen und sich wieder zum Guten „bekehren“ lassen. Warum er Sauron heißt, muss ich Herr der Ringe-Kennern wohl nicht erklären :D Und so wurde ich vor jeder Chemotherapie wie folgt angefeuert: „Wirf den Ring in den Schicksalsberg, Janine!“ So, Sauron und ich gehen jetzt schlafen... Gute Nacht Ich weiß noch genau, wie mein Weihnachtsfest und Silvester 2016 aussahen... ich war mit meinen Gedanken komplett bei meiner Diagnose, die ich gerade eben erst bekommen hatte, und bei dem Krebs, der in meiner Brust hauste. Viele Menschen aus meiner Familie und Freundeskreis wussten es bis dahin noch nicht, und deshalb musste ich so tun, als sei alles in Ordnung. Und das war schrecklich. Ich kann Jedem deshalb prinzipiell nur raten, mit sowas so schnell wie möglich rauszurücken. So ist man gar nicht erst dazu gezwungen, sich zu rechtfertigen, sondern kann einfach man selbst sein. Man kann seine Gefühle zulassen und darüber sprechen. Nur an Weihnachten wollte ich das meiner Oma, meinen zukünftigen Schwiegereltern und anderen Verwandten einfach nicht zumuten. Ich wollte ihnen das Fest nicht ruinieren. Und um ehrlich zu sein, wollte ich auch überhaupt nicht darüber sprechen. Deshalb saß ich da, versuchte das Essen irgendwie runter zu bekommen, zu reden, zu lächeln... Doch in meinem Kopf machte sich dieses schreckliche, schmerzende Warten breit. Warten darauf, dass endlich etwas passierte. Warten darauf, dass die konkrete Therapie geplant wurde. Warten darauf, dass diese "schönen" Weihnachtstage endlich vorbei waren und ich dem Krebs den Kampf ansagen konnte. Warten auf die Operationen und die erste Chemotherapie. Warten darauf, dass es mir plötzlich schlecht gehen würde, obwohl ich mich doch eigentlich gar nicht krank fühlte. Warten darauf, dass mir die Ärzte meine Befunde ganz genau erklären konnten. Warten darauf, dass ich mich darum kümmern konnte, zu überleben. Ich rührte kein Glas Alkohol an, denn ich hatte gelesen, dass Alkohol sehr schlecht bei Krebs sei. Ich rührte keinen Keks, keine Schokolade, und keinen Kuchen an, weil ich gelesen hatte, dass Zucker den Krebs nur "füttern" würde. Vielmehr zog ich mich immer wieder in mein Zimmer zurück, um meine Befunde durchzulesen, Worte und Werte im Internet und in einem Buch von meiner Ärztin nachzuschlagen, und zwischendurch in krampfhaftes Weinen auszubrechen. Denn da stand "LymphknotenMETASTASE" und mit Metastasen - so das Internet und das Buch - hatte man nicht die besten Heilungschancen. Und das machte mich fertig. In diesem Moment konnte mich jedoch keiner wirklich beruhigen, denn keiner wusste, was das denn überhaupt alles zu bedeuten hatte. Keiner konnte mir erklären, das Lymphknotenmetastasen in der Achsel auf der Seite der betroffenen Brust nicht mit sogenannten Fernmetastasen gleichzusetzen sind. Und wieder hieß es Warten, Warten, Warten. Dann kam Silvester. Mit vielen Freunden und Bekannten, von denen die meisten auch noch nichts wussten. Und wieder spielte ich die normale, glückliche Janine, obwohl es in meinem Inneren ganz anders aussah. Wieder hatte ich Angst, irgendetwas Ungesundes zu essen oder zu trinken. Glaubt mir, im Nachhinein lache ich auch darüber, aber man hat plötztlich so eine riesen Angst, irgendetwas falsch zu machen. Man fühlt sich ohnmächtig und in einer Art Schockstarre. Und die fröhlichen, wild durcheinander sprechenden Menschen um mich herum machten meine Situation nicht besser. Im Gegenteil. Ich hörte ihre "Probleme" (die ich früher natürlich auch hatte): Dass die Haare nicht richtig lagen, dass man bald unbedingt wieder zum Sport müsse, weil man sonst dick werde, dass man eine Erkältung oder einen Pickel hat. Und dass der und der und der ja geheiratet hat oder heiraten will oder ein Kind bekommen hat oder schwanger ist. Das tat mir im Herzen weh. Denn ich hatte zwar gehört, dass man Eizellen einfrieren könne, aber hatte mich zu dieser Zeit noch nicht wirklich darüber erkundigt. Ich hatte Angst, niemals heiraten oder ein Kind bekommen zu dürfen. Ich hatte Angst, nicht mehr die Zeit dafür zu haben. Dann war es nach 0 Uhr. Ein neues Jahr. Das Jahr 2017. Und ich wusste, dass es für mich das schrecklichste Jahr meines Lebens werden würde... Und nun ist schon Weihnachten Nr. 2 seit meiner Diagnose......und das ist komplett anders. Alle meine Lieben, meine Freunde und Familie wissen Bescheid, was mit mir los ist und was ich in diesem Jahr ertragen musste. Sie kennen mittlerweile meine Gedanken, Gefühle, Ängste und Hoffnungen. Sie wissen, was sie sagen und tun können, und wie ich darauf reagiere. Sie wissen auch, was sie nicht sagen und tun sollten, um mich nicht runterzuziehen. Aber dieses Verständnis braucht Zeit. Umso mehr fühle ich mich dieses Jahr mit meiner Familie verbunden. Denn wir haben das Jahr gemeinsam durchgestanden und uns gegenseitig Kraft gegeben. Und so wächst man noch mehr zusammen und fühlt sich umso stärker. Dieses Jahr konnte ich viel lachen und reden. Dieses Jahr habe ich mir ein paar Gläschen Wein und ein paar Plätzchen gegönnt. Einfach, weil es mal gut tut und ich ansonsten immer versuche, mich gesund zu ernähren. Ich habe viele tolle und wunderschöne Geschenke bekommen, über die ich mich unglaublich gefreut habe, auch wenn das allerschönste Geschenk natürlich die Menschen sind, die einen lieben und mit denen man Zeit verbringen kann. Trotzdem: Besonders diese "Uhr", die ich von meinem Freund bekommen habe, passt einfach unglaublich gut zu meiner neuen Lebenseinstellung: Im Jetzt und Hier leben. Jeden Moment auskosten. Sich nicht stressen lassen von Dingen, die einem nicht gut tun. Ich hoffe, ihr habt alle ein wunderschönes Weihnachtsfest und lasst euch nicht zu sehr stressen, sondern genießt einfach die Zeit mit euren Lieben.
Frohe Weihnachten :) Janine Es ist jetzt schon nach 0 Uhr, aber gestern vor einem Jahr, am 22.12.2016 bekam ich meine Diagnose. Deswegen war gestern ein komischer Tag. Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend.
Denn seit diesem Tag hat sich einfach alles geändert. Mein Leben wurde auf den Kopf gestellt. Mein Körper und meine Seele mussten im vergangenen Jahr so Vieles über sich ergehen lassen. Ich musste mit Angst, Verzicht, Kraftlosigkeit und Unsicherheit zurechtkommen. Ich musste mit Schmerzen und Narben zurechtkommen. Und ich musste mit 9mal Chemotherapie, mehreren Operationen und mehreren Wochen Bestrahlungen zurechtkommen. Trotzdem bin ich irgendwie gar nicht so traurig, wie ich es erwartet hatte, heute, am Jahrestag meiner Diagnose. Und ich denke, ich weiß, woran das liegt. Ich denke, dass ich im vergangenen Jahr so sehr gewachsen bin, dass ich so viel stärker und mutiger geworden bin, als ich es vorher war. Und vor allem habe ich gelernt, das Leben viel mehr wertzuschätzen. Denn jeder Moment ist kostbar. Jeder Tag sollte die Chance haben, der beste in meinem Leben zu werden. Kleine, scheinbar unwichtige Dinge, erscheinen mir jetzt viel wervoller. Ich freue mich über meine Haare, die wieder wachsen, über jede Party, auf der ich tanzen kann, über den Spaziergang mit meinem Hund, ohne dass ich alle paar Schritte Pause machen muss, weil ich keine Luft mehr bekomme. Ich versuche in allem das Positive zu sehen: Dass ich mich zum Beispiel während meiner Chemotherapie nicht an gewissen Körperstellen rasieren musste. Ist so. Und ich glaube, darin liegt sogar der Sinn des Lebens, über den ich zugegebenermaßen (danke Deutsch- und Kunst-Studium) oftmals nachgedacht hatte: Nämlich darin, jeden Tag und jeden Moment so wertzuschätzen und zu lieben, wie es nur möglich ist. Und dass man das Beste daraus macht und sich trotzdem die Schönheit des Lebens vor Augen ruft, wenn es mal dunklere Zeiten gibt. Janine |
Herzlich Willkommen
Ich bin Janine, 25 Jahre alt und erzähle dir hier meine Brustkrebs-Geschichte: Die Geschichte über "Sauron" und mich. Archiv
März 2018
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