Ich weiß noch genau, wie mein Weihnachtsfest und Silvester 2016 aussahen... ich war mit meinen Gedanken komplett bei meiner Diagnose, die ich gerade eben erst bekommen hatte, und bei dem Krebs, der in meiner Brust hauste. Viele Menschen aus meiner Familie und Freundeskreis wussten es bis dahin noch nicht, und deshalb musste ich so tun, als sei alles in Ordnung. Und das war schrecklich. Ich kann Jedem deshalb prinzipiell nur raten, mit sowas so schnell wie möglich rauszurücken. So ist man gar nicht erst dazu gezwungen, sich zu rechtfertigen, sondern kann einfach man selbst sein. Man kann seine Gefühle zulassen und darüber sprechen. Nur an Weihnachten wollte ich das meiner Oma, meinen zukünftigen Schwiegereltern und anderen Verwandten einfach nicht zumuten. Ich wollte ihnen das Fest nicht ruinieren. Und um ehrlich zu sein, wollte ich auch überhaupt nicht darüber sprechen. Deshalb saß ich da, versuchte das Essen irgendwie runter zu bekommen, zu reden, zu lächeln... Doch in meinem Kopf machte sich dieses schreckliche, schmerzende Warten breit. Warten darauf, dass endlich etwas passierte. Warten darauf, dass die konkrete Therapie geplant wurde. Warten darauf, dass diese "schönen" Weihnachtstage endlich vorbei waren und ich dem Krebs den Kampf ansagen konnte. Warten auf die Operationen und die erste Chemotherapie. Warten darauf, dass es mir plötzlich schlecht gehen würde, obwohl ich mich doch eigentlich gar nicht krank fühlte. Warten darauf, dass mir die Ärzte meine Befunde ganz genau erklären konnten. Warten darauf, dass ich mich darum kümmern konnte, zu überleben. Ich rührte kein Glas Alkohol an, denn ich hatte gelesen, dass Alkohol sehr schlecht bei Krebs sei. Ich rührte keinen Keks, keine Schokolade, und keinen Kuchen an, weil ich gelesen hatte, dass Zucker den Krebs nur "füttern" würde. Vielmehr zog ich mich immer wieder in mein Zimmer zurück, um meine Befunde durchzulesen, Worte und Werte im Internet und in einem Buch von meiner Ärztin nachzuschlagen, und zwischendurch in krampfhaftes Weinen auszubrechen. Denn da stand "LymphknotenMETASTASE" und mit Metastasen - so das Internet und das Buch - hatte man nicht die besten Heilungschancen. Und das machte mich fertig. In diesem Moment konnte mich jedoch keiner wirklich beruhigen, denn keiner wusste, was das denn überhaupt alles zu bedeuten hatte. Keiner konnte mir erklären, das Lymphknotenmetastasen in der Achsel auf der Seite der betroffenen Brust nicht mit sogenannten Fernmetastasen gleichzusetzen sind. Und wieder hieß es Warten, Warten, Warten. Dann kam Silvester. Mit vielen Freunden und Bekannten, von denen die meisten auch noch nichts wussten. Und wieder spielte ich die normale, glückliche Janine, obwohl es in meinem Inneren ganz anders aussah. Wieder hatte ich Angst, irgendetwas Ungesundes zu essen oder zu trinken. Glaubt mir, im Nachhinein lache ich auch darüber, aber man hat plötztlich so eine riesen Angst, irgendetwas falsch zu machen. Man fühlt sich ohnmächtig und in einer Art Schockstarre. Und die fröhlichen, wild durcheinander sprechenden Menschen um mich herum machten meine Situation nicht besser. Im Gegenteil. Ich hörte ihre "Probleme" (die ich früher natürlich auch hatte): Dass die Haare nicht richtig lagen, dass man bald unbedingt wieder zum Sport müsse, weil man sonst dick werde, dass man eine Erkältung oder einen Pickel hat. Und dass der und der und der ja geheiratet hat oder heiraten will oder ein Kind bekommen hat oder schwanger ist. Das tat mir im Herzen weh. Denn ich hatte zwar gehört, dass man Eizellen einfrieren könne, aber hatte mich zu dieser Zeit noch nicht wirklich darüber erkundigt. Ich hatte Angst, niemals heiraten oder ein Kind bekommen zu dürfen. Ich hatte Angst, nicht mehr die Zeit dafür zu haben. Dann war es nach 0 Uhr. Ein neues Jahr. Das Jahr 2017. Und ich wusste, dass es für mich das schrecklichste Jahr meines Lebens werden würde... Und nun ist schon Weihnachten Nr. 2 seit meiner Diagnose......und das ist komplett anders. Alle meine Lieben, meine Freunde und Familie wissen Bescheid, was mit mir los ist und was ich in diesem Jahr ertragen musste. Sie kennen mittlerweile meine Gedanken, Gefühle, Ängste und Hoffnungen. Sie wissen, was sie sagen und tun können, und wie ich darauf reagiere. Sie wissen auch, was sie nicht sagen und tun sollten, um mich nicht runterzuziehen. Aber dieses Verständnis braucht Zeit. Umso mehr fühle ich mich dieses Jahr mit meiner Familie verbunden. Denn wir haben das Jahr gemeinsam durchgestanden und uns gegenseitig Kraft gegeben. Und so wächst man noch mehr zusammen und fühlt sich umso stärker. Dieses Jahr konnte ich viel lachen und reden. Dieses Jahr habe ich mir ein paar Gläschen Wein und ein paar Plätzchen gegönnt. Einfach, weil es mal gut tut und ich ansonsten immer versuche, mich gesund zu ernähren. Ich habe viele tolle und wunderschöne Geschenke bekommen, über die ich mich unglaublich gefreut habe, auch wenn das allerschönste Geschenk natürlich die Menschen sind, die einen lieben und mit denen man Zeit verbringen kann. Trotzdem: Besonders diese "Uhr", die ich von meinem Freund bekommen habe, passt einfach unglaublich gut zu meiner neuen Lebenseinstellung: Im Jetzt und Hier leben. Jeden Moment auskosten. Sich nicht stressen lassen von Dingen, die einem nicht gut tun. Ich hoffe, ihr habt alle ein wunderschönes Weihnachtsfest und lasst euch nicht zu sehr stressen, sondern genießt einfach die Zeit mit euren Lieben.
Frohe Weihnachten :) Janine
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Ich bin Janine, 25 Jahre alt und erzähle dir hier meine Brustkrebs-Geschichte: Die Geschichte über "Sauron" und mich. Archiv
März 2018
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